Schafe auf dem Deich, © Die Nordsee GmbH, Anke Hieronymus

Die Wächter der Deiche


„Sturm ist erst, wenn die Schafe keine Locken mehr haben“, lautet ein weit verbreiteter Witz der Küstenbewohner über ihre Lieblingsrasenmäher. Und auch Touristen können sich dem drögen Charme der drolligen Vierbeiner meist nur schwer entziehen. Sie gehören zu Ostfrieslands Landschaft einfach dazu, genauso wie die schwarz-weißen Kühe und die lachenden Möwen. Wenn dann noch in Februar und März die kleinen Lämmchen inmitten der Herde herumspringen, werden die Deichbewohner zu einem willkommenen Fotomotiv. Dabei sind sie weit mehr als das: Schafe verfügen über Eigenschaften, die sie für Land und Leute zu nützlichen und sogar lebenswichtigen Begleitern machen. 

 

von Gela Brüggemann

Gute Aussicht, © Die Nordsee GmbH, Carolin Wulke

Schafe stehen seit 10.000 Jahren in menschlichen Diensten, spenden Wolle für alle erdenklichen Bekleidungsstücke und aus ihrer Milch werden verschiedene Käse und sogar Eis und Schokolade zubereitet. Aber die Tiere können noch viel mehr:

Schafe sind quasi die Bienen der Wasserkante.

Hintergrund: In ihrer Wolle steckt ein kleines Universum voller Insekten und Pflanzensamen, die sie von einer Seite des Deichs auf die andere tragen und somit die Artenvielfalt der Deichlandschaft sichern.

Laut Fördergemeinschaft Nachhaltige Landwirtschaft (FNL) haben vor allem die von Schafen beweideten Deiche bislang größtenteils den Sturmfluten standgehalten. Der Grund: dadurch, dass die Tiere das Gras sehr kurz halten, wachsen die Halme dick und fest und die Grasnarbe wird sehr dicht. Die starken Wurzeln stabilisieren die Erde und das Gras wird so zur Schutzschicht für den Deich und damit für Mensch und Natur, die sich dahinter befinden. 

Zusätzlich verfestigt der Tritt der Tiere die Löcher im Deich, die durch Maulwürfe oder Wühlmäuse entstanden sind und bei Sturmfluten ein Risiko für die Deichsicherheit darstellen. Die Schäfer nennen diesen praktischen Nebeneffekt der Deichschafhaltung den „goldenen Tritt“. Eine Fähigkeit, die kaum eine Maschine ersetzen kann, jedenfalls nicht zu dem Preis. 
 

Schafe
Lockige Deichbewohner, © Die Nordsee GmbH, Birte Kreitz
„Sturm ist erst, wenn die Schafe keine Locken mehr haben“

In Bereichen mit vielen Touristen, laufen aus verschiedenen Gründen keine Schafe. Die Tiere fühlen sich von den vielen Menschen und vor allem den Hunden gestört. Durch die Unruhe, die dadurch in der Herde entsteht, wird das Gras nicht so gleichmäßig abgezupft, es bleiben Grasbüschel stehen, die ungeliebte Gäste, wie Mäuse anlocken, weil sie ihnen Schutz bieten, berichtet das NLWKN (Niedersächsischer Landes betrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz).

Für ihren Dauereinsatz auf dem schönsten Arbeitsplatz der Welt, am Rande des UNESCO-Weltnaturerbes Wattenmeer, verlangen die tierischen Deichwächter nicht viel.

Ausreichend saftiges Gras, ab und zu eine ordentliche Pediküre und vor allem rechtzeitige Schur. Denn die vier Kilo Wolle, die ein Schaf pro Jahr produziert, kann den Tieren zum Verhängnis werden. Immer mal wieder sieht man hochträchtige Schafe auf dem Rücken liegen - alle Viere von sich gestreckt. Was für den Laien amüsant wirkt, bedeutet für das Tier große Qual. „Vor allem, wenn es geregnet hat und die Wolle nass ist, schaffen es Schafe nicht, sich aus eigener Kraft wieder aufzurichten. Bleiben sie liegen, können die Tiere an Kreislaufversagen sterben“, erklärt Achim Stolz, Pressesprecher des NLWKN. „Wer ein auf dem Rücken liegendes Schaf sieht, sollte ihm ruhig beherzt in die Rückenwolle greifen, es wieder aufrichten und wenn möglich den Schäfer benachrichtigen“, so der Experte. Schließlich hat das Schaf ja noch den ein oder anderen wichtigen Auftrag zu erfüllen.
 

Schafherde, © Die Nordsee GmbH, Birte Kreitz

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Deichschäferei, © Die Nordsee GmbH, Katja Benke

Deichschäferei


Die Deichschafe in Butjadingen sind nicht nur süß anzusehen: Sie leisten auch einen wichtigen Beitrag zum Deichschutz. In der Deichschäferei erfährt man die spannenden Details!

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