Boßeln in Hooksiel, © Robin Schneider, Die Nordsee GmbH

Boßeln - Kultiger (Ost-)Friesensport


Wer schon mal bei uns im Norden Urlaub gemacht hat, ist ihnen bestimmt schon begegnet. Mitten auf der Landstraße tummeln sich zumeist am Wochenende Männer und Frauen und werfen eine Kugel auf die Straße. Am Straßenrand findet man Markierungen und Warnschilder mahnen die Autofahrer langsam zu fahren. Was es damit auf sich hat? Ganz einfach: Hier im Norden wird geboßelt! Das Team der Nordsee GmbH hat die kultige Sportart selbst getestet und zwar direkt am Deich mit Ausblick auf das Weltnaturerbe Wattenmeer – in Hooksiel.

 

von Karen Walterscheid

Ursprung und Tradition

Boßeln ist ein Mannschaftssport und bereits seit vielen Jahren über die (ost-)friesischen Grenzen hinaus sehr beliebt. Allein in Ostfriesland gibt es über 100 Boßel-Vereine, die in einem Ligenspielbetrieb organisiert sind. Wer hat’s erfunden? Die Ostfriesen? Das weiß niemand so genau: Ob der Ursprung im ostfriesischen oder oldenburgischen Raum, den Niederlanden oder sogar Irland liegt, ist heute nicht mehr zurückzuverfolgen. Fakt ist: Eine Mannschaft besteht aus mindestens fünf bis acht Boßlern (Männer und Frauen bzw. Jungen und Mädchen boßeln getrennt) und nicht selten wird eine Strecke von mehr als fünf Kilometern zurückgelegt. Jeder der Spaß daran hat, kann Boßeln erlernen, ohne eine wirkliche Sportskanone zu sein - im Spielbetrieb sind in den verschiedenen Altersklassen vier- bis 80-jährige Boßler aktiv! Aber wie funktioniert der kultige (Ost-)Friesensport? Beim Boßeln wird eine Kugel aus Gummi oder Holz (die sogenannte „Boßel“) eine Straße entlang geworfen. Die Kugel hat einen Durchmesser von knapp neun bis zwölf Zentimetern. Die Wurftechnik ist ähnlich wie beim Kegeln, nur mit dem Unterschied, dass keine Kegel auf der Straße stehen. Man muss eher versuchen, mit einer hohen Geschwindigkeit die Kugel so lange wie möglich auf der Straße zu halten. Der Werfer startet zu einem langen Anlauf, wobei die Boßel beim Erreichen der Abwurfmarkierung die Hand des Werfers verlassen haben muss, ansonsten ist der Wurf ungültig. Echte Profis schaffen einen Kugelweg von über 400 Metern. Die Kugel wird dann von dort, wo sie liegenbleibt, weitergeworfen. Oft verbindet man Boßeln mit einem deftigen Grünkohl-Essen und macht daraus einen geselligen Nachmittag und Abend.

Aber warum liegt die Boßel-Saison im Winter, wenn es so kalt und ungemütlich draußen ist? Ganz einfach. Die Einheimischen haben endlich mal etwas mehr Zeit für sich. Die Ernte ist im Trockenen und die Gastronomie- und Übernachtungsbetriebe sind nicht so stark ausgelastet wie im Sommer. Und ein kleiner Nebeneffekt kommt noch hinzu: Die Gräben am Straßenrand, in die die Boßel oft hineinrollt, sind im Winter öfters zugefroren, was das Bergen der Kugel einfacher macht.

Anfängerfehler

An der niedersächsischen Nordseeküste gibt es wunderschöne Boßelstrecken direkt am Deich entlang mit Blick auf das Meer. Eine davon haben wir im Rahmen unserer Jahresabschlussfeier im Wangerland getestet. Die Hooksieler Skiterrassen stellte das nötige Equipment zur Verfügung. Mit Boßelkugeln und einer Auswahl von Heiß- und Kaltgetränken im Bollerwagen ging es dann Richtung Deich. „Eine Kugel auf den Weg werfen, das kann ja nicht so schwer sein“, dachten wir. Doch nach den ersten Versuchen wurden wir eines besseren belehrt. Die Herausforderung liegt zum einen in dem Gewicht der Kugel, zum anderen in der Unebenheit der Wege. Doch mit der Hilfe einiger einheimischer Boßelexperten, die sogar ihren Spaziergang unterbrachen, um ein paar Tipps zu geben, hatten wir den Dreh recht schnell raus.

Boßeln

Die richtige Technik

Beim Wurf wird der Arm im Laufen zunächst nach hinten bewegt und anschließend unter der Hand mit einer schnellen Bewegung wieder nach vorne geschnellt, um die Boßel mit einer hohen Geschwindigkeit loszulassen. Wichtig ist, dass die Flugbahn nicht zu steil wird, damit die Kugel nach der Landung auf der Straße noch möglichst weit rollt. Durch verschiedene Techniken beim Abwerfen kann der Boßler der Kugel einen Drall mitgeben, der es möglich macht, um eine Kurve zu werfen. Das schaffen auf Anhieb aber wohl nur erfahrene Norddeutsche, wie wir feststellen mussten. Im Plattdeutschen werden diese Techniken übrigens „överd Dum“ (über den Daumen) und „överd Finge“ (über den Finger) genannt. Der normale Abwurf ohne Drall „liek ut Hand“ (gerade aus der Hand) gelingt dem Anfänger am ehesten. Wir bleiben dran!

Anlauf nehmen, © Robin Schneider
So sieht Boßeln beim Profi aus, © Henning Meyer
So sieht Boßeln beim Profi aus

Henning Meyer, Boßel-Experte

Boßeln an der Nordsee - los geht's

Dieses ganz besondere Wintervergnügen ist eine typisch norddeutsche Sportart - und macht nicht nur Profis Spaß. Man benötigt: Zwei Teams, zwei Boßelkugeln und eine möglichst gerade Strecke - und los geht es!

Boßeln, © Robin Schneider

Boßeln mit Meerblick


Die Hooksieler Skiterassen verleihen einen prall gefüllten Bollerwagen mit allem, was man zum boßeln braucht. Auf der nahegelegenen Strandpromenade steht dem Spielspaß auf der rund 4 km langen Strecke nichts mehr im Wege.

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