Überrascht, schaffe ich alles ohne große Mühen. Während ich traditionelle, deftige Hausmannskost erwartet habe, ist die Küche der „Börse“ doch ausgesprochen leicht. Ich bin angenehm satt. Das Pesto schmeckt wirklich nach Pesto – nur etwas salziger, kräftiger und eben mehr nach Wattenmeer. Letzteres trifft übrigens vor allem auf den geschmorten Röhrkohl zu. Wenn jemand wissen möchte, wie die Nordsee schmeckt, dann sollte er damit anfangen. Das Fleisch – sowohl der Tafelspitz als auch die Schinkenstreifen – ist sehr zart, nicht zu salzig und trotzdem intensiv. Hier zeigt sich, dass ein Röhrkohl-Gericht nicht zusätzlich gesalzen werden muss. Das Fleisch behält so noch mehr von seinem Eigengeschmack als normalerweise.
Müsste ich ein Highlight auswählen, wäre es der Reibekuchen. Schön knusprig, nicht zu fettig und gemeinsam mit den Tomatenwürfeln im Sauerrahm erhält dieses Gericht eine fruchtig-luftige Note, die ich von Reibekuchen bisher nicht kannte. Der Nachtisch mit Mutterns Brombeergelee ist eine würdige Krönung – und für mich auch eine Ehre, die ich sehr zu schätzen weiß. Da nur wenige Wochen vorher Björn Wolters’ Mutter verstorben ist, werde ich als einer der Letzten in diesen Genuss kommen.
Für um die 60 Euro (man beachte: für vier Gänge!) habe ich ein abwechslungsreiches, raffiniertes, regionales und vor allem leckeres Essen zu mir genommen, das ich jedem nur empfehlen kann. Wer selbst einmal die Vielfältigkeit des Röhrkohls probieren möchte, besucht das Restaurant „Zur Börse“ zwischen Mai und Anfang Juli In der Langen Straße 22, 27639 Wurster Nordseeküste/Wremen.