Röhrkohl stechen, © Robin Schneider

So schmeckt das Wattenmeer: Einzigartiger Röhrkohl, vielfältig zubereitet


Salzig. Typisch nach Watt. Ein bisschen nach Koriander, ein bisschen nach Chlor. So beschreibt Björn Wolters, Gastwirt des Restaurants „Zur Börse“ in Wremen, den Geschmack seiner Spezialität: Röhrkohl. Wie Grünkohl, der Krabbenkutter gefahren ist – so schmeckt der „Strand-Dreizack“, wie er auch genannt wird, für mich.

 

von Robin Schneider

 

Kein anderer Koch an der niedersächsischen Nordseeküste darf Röhrkohl pflücken – Entschuldigung, „stechen“ – und seinen Gästen anbieten. Denn zum einen gilt das Salzwiesengewächs laut der Roten Liste gefährdeter Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands als gefährdet. Zum anderen wächst es in den Schutzzonen des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer. Wolters kooperiert deshalb mit der Nationalparkverwaltung und zwei Landwirten, von deren Privatflächen er den Röhrkohl erntet. Dieses Recht haben sonst nur die Einheimischen an der Wurster Nordseeküste – nur für den Eigenbedarf, nur im Mai und Juni. „Wir würden auch mit anderen Gastronomen eine vergleichbare Vereinbarung abschließen, wenn sie so vorteilhaft für den Nationalpark wäre wie diese hier“, sagt Peter Bartz von der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer.

Ich fahre mit Björn (bei ihm geht das schnell mit dem „Du“) sieben Minuten bis zur Salzwiese. Wie ich jetzt weiß, „sticht“ man Röhrkohl. Das einzige andere Gemüse, von dem ich das kenne, ist Spargel. Und ich weiß: Das ist eine Knochenarbeit. Umso verwunderter bin ich, als ich sehe, dass Björns Ausrüstung allein aus einem grünen Körbchen und einem kleinen Messer besteht. Keine großen Geräte, geschweige denn Maschinen. Hier spaziert einfach nur ein Mann über die Salzwiese und schneidet unter Vogelgesang, zwischen Schmetterlingen und dem Rauschen des Windes mit seinem Messer die Halme ab. Mehr ist es nicht. Selten kam mir eine Landschaft so behaglich vor.

Die Ausbeute, © Robin Schneider
Vorbereitung in der Küche, © Robin Schneider

Zurück an der „Börse“ beginnt der Koch dann mit seinem Handwerk: Mit Röhrkohl aufmontierte Suppe, garniert mit Schinkenstreifen und Röhrkohl-Pesto. Salzwiesen-Röhrkohl-Kartoffelreibekuchen, Sauerrahm mit blanchiertem Röhrkohl und Tomatenwürfeln, dazu Räucherlachs und Krabben. Tafelspitz von der Färse aus dem Wurzelsud auf geschmortem Röhrkohl mit Merrettichsauce, dazu Salzkartoffeln. Heumilch-Käse vom Hof Icken aus Sievern, Früchte und Röhrkohl-Halme, weiße Schokolade mit getrocknetem Röhrkol, dazu Röhrkohl-Pesto und Brombeergelee von Muttern. Wremer Lütten Röhr mit 32 Volumenprozent zum Abschluss.

Mir fallen sofort zwei Dinge auf: Erstens, die Sache mit dem Röhrkohl wird hier auf jeden Fall durchgezogen. Zweitens zähle ich vier Gerichte – und einen Testesser. „Wer soll denn das alles essen?“, frage ich den Chef. „Du. Wieso?“, antwortet er. Na dann, ran ans Werk!

Röhrkohl

Überrascht, schaffe ich alles ohne große Mühen. Während ich traditionelle, deftige Hausmannskost erwartet habe, ist die Küche der „Börse“ doch ausgesprochen leicht. Ich bin angenehm satt. Das Pesto schmeckt wirklich nach Pesto – nur etwas salziger, kräftiger und eben mehr nach Wattenmeer. Letzteres trifft übrigens vor allem auf den geschmorten Röhrkohl zu. Wenn jemand wissen möchte, wie die Nordsee schmeckt, dann sollte er damit anfangen. Das Fleisch – sowohl der Tafelspitz als auch die Schinkenstreifen – ist sehr zart, nicht zu salzig und trotzdem intensiv. Hier zeigt sich, dass ein Röhrkohl-Gericht nicht zusätzlich gesalzen werden muss. Das Fleisch behält so noch mehr von seinem Eigengeschmack als normalerweise.

Müsste ich ein Highlight auswählen, wäre es der Reibekuchen. Schön knusprig, nicht zu fettig und gemeinsam mit den Tomatenwürfeln im Sauerrahm erhält dieses Gericht eine fruchtig-luftige Note, die ich von Reibekuchen bisher nicht kannte. Der Nachtisch mit Mutterns Brombeergelee ist eine würdige Krönung – und für mich auch eine Ehre, die ich sehr zu schätzen weiß. Da nur wenige Wochen vorher Björn Wolters’ Mutter verstorben ist, werde ich als einer der Letzten in diesen Genuss kommen.

Für um die 60 Euro (man beachte: für vier Gänge!) habe ich ein abwechslungsreiches, raffiniertes, regionales und vor allem leckeres Essen zu mir genommen, das ich jedem nur empfehlen kann. Wer selbst einmal die Vielfältigkeit des Röhrkohls probieren möchte, besucht das Restaurant „Zur Börse“ zwischen Mai und Anfang Juli In der Langen Straße 22, 27639 Wurster Nordseeküste/Wremen.

Weitere Informationen zum Gasthaus "Zur Börse"

Zur Börse Wremen, © Die Nordsee GmbH, Robin Schneider

Zur Börse


Lassen Sie sich die exklusive Küche im Gasthaus Zur Börse in Wremen schmecken.

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