Krabbenkutter auf hoher See, © Dieter Warnick

Mit dem Kutter auf Krabbenfang


Normalerweise sollte die Gruppe schon an Bord des Krabbenkutters sein. Doch das Wasser fließt heute nicht so rasch ins Hafenbecken des kleines Fischerortes Fedderwardersiel wie üblich. Deshalb verzögert sich die Abfahrt um eine knappe halbe Stunde. Kein Problem: Bei einer Tasse heißen Tees in einer kleinen Kneipe gegenüber des Hafenbeckens lässt es sich gut aushalten – der Wind hat nämlich mächtig aufgefrischt.

Fedderwardersiel (gehört zur Nordsee-Halbinsel und zur Gemeinde Butjadingen in der Wesermarsch) ist einer der bekanntesten Kutterhäfen an der niedersächsischen Nordseeküste. Von hier aus fahren noch traditionelle Kutter zum Krabbenfang hinaus auf die Nordsee – im Zeitalter der industriellen Fischerei keine Selbstverständlichkeit.

 

Text und Bilder von Dieter Warnick

Kapitän Martin Sievers, © Dieter Warnick

Leinen los

Dann heißt es Leinen los, die Flut hat die Ebbe abgelöst: Kapitän Martin Sievers startet „FED8“. Krabbenkutter sind ganz spezielle Schiffe, die eigens für den Fang von Nordseegarnelen (auch Krabben oder Granat genannt) gebaut werden. Sievers hat den Beruf des Fischwirts erlernt, ein Beruf mit langer Tradition. Er erfordert selbstständiges Arbeiten in der Natur – bei Wind und Wetter und unregelmäßigen, oft langen, anstrengenden Arbeitszeiten, auch in der Nacht. Die dreijährige Ausbildung ist vielfältig, mit dem Fang von Fischen allein ist es lange nicht getan. Grundvoraussetzung sind technische Begabung und handwerkliches Geschick.

Volle Konzentration

Vor allem dann, wenn der Mast mit den beiden riesigen Auslegern für den Fang zu Wasser gelassen und später wieder an Bord geholt wird, muss ein Kapitän voll konzentriert ans Werk gehen. Wenn die Fangnetze im Wasser sind, werden sie, an Rollen gleitend, über den Meeresboden gezogen; dabei werden die Krabben aufgeschreckt, hochgescheucht und eingefangen. Die Pflege der überdimensionalen Netze gehört genauso zum Berufsbild eines Fischwirtes wie betriebswirtschaftliches Verständnis und das Interesse für fischereibiologische Vorgänge. Nicht zuletzt muss ein Krabbenfischer mit dem Be- und Verarbeiten seines Fanges vertraut sein.

Kutter beim Netzfang, © Dieter Warnick

Verarbeitung direkt an Bord

Eine Garnele ist nämlich ein empfindliches Wesen und muss an Ort und Stelle, also an Bord, sortiert, gekocht und ein zweites Mal, je nach Größe, sortiert werden. Dies geschieht direkt im entnommenen Seewasser in einem Kochkessel, was den Tieren ihr spezielles Aroma verleiht. Sieben bis zehn Minuten dauert diese Prozedur. Danach geht es zum Abkühlen in den bordeigenen Kühlschrank – erst dann ist der Fang zum Verzehr geeignet. Doch halt: Die Garnelen müssen zuvor noch gepult (geschält) werden.

Keine Verwendung für das Steuerrad

Kapitän Sievers ist ein ruhiger Zeitgenosse. Er erzählt nicht viel, gibt nur Antwort, wenn er gefragt wird. Und das kurz und prägnant. So erfährt die Gruppe, dass er sich vor ein paar Jahren selbstständig gemacht hat, dass er einen Angestellten hat, Tristan Schulz, der sich an Bord um die „Außenarbeiten“ kümmert, während er, im „Führerstand“ allerlei Hebel und technische Geräte bedient, von denen der Laie keine Ahnung hat. Nebenher muss er noch Computer, Navigationsgeräte, die Fahrrinne und andere Dinge im Blick haben. Wahrlich kein leichter Job. Da muss sich der eine auf den anderen verlassen können. Zu hundert Prozent. Nur das Steuerrad hat keine Funktion mehr. „Damit könnte ich heutzutage nichts mehr anfangen. Es ist nur noch zur Zierde da, “ verrät Sievers.

„FED8“, Baujahr 1981 (Sievers: „wie ich“) mit 220 PS, macht sich allmählich bereit, den Fang zu heben. Die eh schon steife Brise hat zugenommen, das Meer ist unruhig. Jetzt müssen alle Handgriffe sitzen. Daumen hoch bedeutet, dass sich heute die Mühen gelohnt haben. Vielleicht sind es 200 Kilo, oder gar ein paar mehr. Bei dieser Quote spricht der Fischer von „einen guten Fang gemacht.“

Das Netz wird an Bord geholt, © Dieter Warnick

Seeluft macht hungrig

Zurück im Hafen von Fedderwardersiel verlässt unsere Gruppe „FED8“. Etwas durchgefroren zwar, aber um viele Eindrücke reicher. Ein tolles Erlebnis. Die ersten Schritte an Land sind noch ein wenig wackelig, aber glücklicherweise rebelliert der Magen nicht. Die Brötchen mit den fangfrischen Krabben sollte man sich nicht entgehen lassen. Seeluft macht hungrig!
 

Dieter Warnick arbeitete 30 Jahre lang bei einer großen bayerischen Tageszeitung, ehe er sich 2008 neu orientierte, seinen Job als Sportredakteur an den Nagel hing und sich auf den Reise-Journalismus spezialisierte. Südtiroler Geschichten bleiben sein vorrangiges Genre, aber auch andere Länder und Regionen haben es ihm angetan – unter anderem die niedersächsische Nordseeküste. Die komplette Nordsee-Serie von Dieter Warnick finden Sie im Raushier Reisemagazin

Kapitän Martin Sievers, © Dieter Warnick

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Das Netz wird zu Wasser gelassen, © Dieter Warnick

Raushier Reisemagazin

Lesen Sie hier die komplette Nordsee-Serie des Reisereporters Dieter Warnick

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